15.01.2011

Goldesel im Prokrustesbett der Politik

Firmen die Verluste machen, schütten keine Gewinne aus und zahlen keine Boni. Normalerweise jedenfalls. Bei Banken ist das anders. So hat es die UBS geschafft, Boni auszubezahlen, die in ihrer Summe etwa gleich hoch waren wie die Verluste. Dies führte 2008 und 2009 zu einigen Diskussionen; vgl. NZZ.

Zum Wochenende hat nun auch die Nationalbank (SNB) bewiesen, dass sie keine normale Firma ist.

Trotz eines Riesenverlusts von erwarteten 21 Milliarden CHF für 2010, erfolgt eine „Gewinnausschüttung“ von 2.5 Milliarden an Bund und Kantone sowie von 1.5 Milliarden an die Aktionäre; vgl. Medienmitteilung.  Da fragt man sich wie und warum das möglich ist.

Entstanden sind die (Buch)Verluste primär durch die starke Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro und dem Dollar. Hier entstand ein Verlust von 26 Milliarden. Dieser beruht massgeblich auf einer massiven Erhöhung der Devisenbestände in der ersten Jahreshälfte, welche einer Schwächung des Frankenkurses hätte dienen sollen.

Allerdings war die Stützung des Frankens durch Euro-Käufe von Anfang an illusorisch. Vielleicht hatte man im Direktorium auf eine psychologische Wirkung gehofft, doch faktisch hatte die SNB keine Chance. vgl. meinen Blogeintrag vom Juni 2010.  Was vorläufig bleibt, ist das Milliardenloch in der Bilanz.

Weil der Wert der noch verbliebenen Goldbestände um 6 Milliarden CHF gestiegen ist, beträgt der schliessliche Verlust noch 21 Milliarden. (– Man stelle sich vor, dass die angeblich überflüssigen Goldreserven nicht verkauft worden wären….) Dieser Verlust ist aber durch die Ausschüttungsreserve von ursprünglich 19 Milliarden (2009) nicht gedeckt – man sieht wie schell sich solche Beträge auflösen können.

Weil auch noch die erwähnte „Gewinnausschüttung“ von 4 Milliarden an Bund, Kantone und Aktionäre sowie eine Reservenzuweisung von 0.7 Milliarden hinzu kommen, weist die Ausschüttungsreserve ein Minus von 5 Milliarden aus. – Da reibt man sich die Augen, aber es ist so: Die SNB „verfügt“ über eine Ausschüttungsreserve von minus 5 Milliarden. So etwas kann nur eine Zentralbank.

Damit zeigt sich eine weitere Besonderheit. Die SNB ist bezüglich Gewinnerzielung bzw. –ausschüttung nicht politisch unabhängig. Gemäss Nationalbankgesetz (Art. 31) kann sie eine Dividende von maximal 6% des Aktienkapitals an die Aktionäre auszahlen und jeder weitere Gewinn (sofern es einen gibt) geht an den Bund und die Kantone. Zwar ist die SNB eigentlich nicht zur Gewinnerzielung verpflichtet, und diese ist auch nicht ihr Hauptzweck, doch hatte die Bank dem Bund und den Kantonen eine Gewinnausschüttung für die Jahre 2009 bis 2013 bereits zum Voraus fest versprochen.

Weil Bund und Kantone sich an die Zuflüsse aus der Staatsbank gewöhnt haben und die entsprechenden Posten in ihren Budgets bereits fest einkalkuliert sind, konnte die SNB wohl keinen Rückzieher machen.

Im Gegensatz zu Geschäftsbanken, die trotz Verlusten Boni zahlen, schüttet die Nationalbank trotz Verlusten politisch vereinbarte Gewinne aus! Im ersten Fall regten sich die Politiker zu Hauf auf, im zweiten Fall bestehen insbesondere kantonale Politiker auf der Ausschüttung. Man sieht, Politiker sind auch nur Menschen, die wiedergewählt werden wollen.

In der Medienmitteilung der SNB liest sich dies wie folgt:

Die nach wie vor robuste Eigenmittelsituation erlaubt es der Nationalbank, die diesjährige Zuweisung an die Rückstellungen für Währungsreserven einmalig zu reduzieren und eine Ausschüttung in diesem Frühjahr gemäss der laufenden Vereinbarung vorzunehmen. (Hervorhebung, T.S.)

Bedenklich stimmt zudem, dass durch den politischen Zwang das Gegenteil von dem geschieht, was ökonomisch gesehen richtig wäre. Statt das Polster aufgrund der verlängerten Bilanz zu erhöhen, wird den Reserven deutlich weniger zugewiesen als vorgesehen:

Die Nationalbank hat unter Berücksichtigung der ausserordentlichen Situation beschlossen, die Zuweisung an die Rückstellungen für Währungsreserven für das abgelaufene Geschäftsjahr anstatt auf 4 Mrd. auf 0,7 Mrd. Franken festzusetzen.

Trotz massiv höheren Devisenbeständen und grösseren Währungsrisiken der SNB, können wegen der politisch vereinbarten Ausschüttungen die Rückstellungen nicht im nötigen Umfang erhöht werden. Da liegt der Goldesel nun im Prokrustesbett.

Es bleibt nur zu hoffen, dass sich dieser faux pas nicht wiederholen wird und Euro sowie Dollar nicht weiter sinken. Und die Optimisten, welche den Franken für stark überbewertet halten, dürfen auf künftige Buchgewinne auf den Beständen der SNB hoffen.

Kommentare

Zur Geschichte der Ausschüttungspraxis der SNB hat Markus Schneider anlässlich der Abstimmung über die Nationalbankgewinne 2006 in der Weltwoche einen höchst informativen Artikel geschrieben. Eine Pflichtlektüre zu diesem Thema!

[...] Die Kosten einer zögerlichen Intervention am Devisenmarkt hat die SNB bereits im letzten Jahr kennen gelernt. Aufgrund der massigen Käufe von Euro, gefolgt von hohen Kursverlusten auf den Beständen, musste die SNB 2010 einen Verlust von ca. 26 Milliarden CHF in Kauf nehmen; vgl. Blogeintrag. [...]

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