26.03.2011

Der Unsinn vom schwarzen Schwan

Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Japan — aber auch jenen in den Maghreb-Staaten — wird gegenwärtig in den Medien die Metapher des “schwarzen Schwans” bemüht. Meist wird dieser so definiert, dass es sich um ein “völlig unvorhergesehenes Ereignis mit weitreichenden Wirkungen” handelt. Auch plötzliche Börseneinbrüche oder Kriege werden als schwarze Schwäne bezeichnet und es wird davor gewarnt, dass viele davon auf uns lauern. — Allerdings sind all diese Beispiele fehl am Platz.

Denn es sind Ereignisse von denen wir wissen, dass sie durchaus eintreten können — nur treten sie nicht sehr oft auf. Nur weil Reaktorunfälle und revolutionäre Umstürze relativ selten sind und sich aufgrund der wenigen Daten nur schlecht prognostizieren lassen, sind es aber noch keine schwarzen Schwäne.

Die Metapher stammt ursprünglich aus der Wissenschaftstheorie und wurde kürzlich von Nassim Taleb in seinem Buch “Black Swan” popularisiert. Abgesehen davon, dass der Autor ziemlich geschwätzig ist (und mich das Buch gelangweilt hat), hat er das Prinzip nicht begriffen.

Schwarze Schwäne sind nicht einfach seltene, schwer prognostizierbare Ereignisse mit weitreichenden Folgen. Sondern es sind Ereignisse, an die noch niemand gedacht hat. Es sind oftmals “unknown unknowns”, d.h. Dinge von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen.

Der Ökonom Frank Knight (1885 – 1972) hat in seiner Dissertation 1921 eine wichtige Unterscheidung zwischen Risiko und Unsicherheit getroffen. Risiko bedeutet, dass die Summe aller möglichen Ereignisse (im Prinzip) bekannt ist und jedem Ereignis eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann — wie etwa beim Würfeln. Der so genannte Ereignisraum ist in diesem Falle geschlossen, sagt man.

Bei echter Unsicherheit (sog. “knightian uncertainty”) hingegen, ist der Ereignisraum offen, d.h. es ist unbekannt, welche Ereignisse überhaupt eintreten können — weshalb sich natürlich auch keine Wahrscheinlichkeiten zuordnen lassen.

Bei einem Reaktorunfall beispielsweise, handelt es sich um ein Risiko (und nicht um Unsicherheit), weil im schlimmsten Falle eine Kernschmelze eintritt. Die genauen Folgen hängen dann wiederum von weiteren Faktoren ab, wie etwa der Windrichtung und -stärke, der Personen in der Nähe etc. Und auch wenn sich all dies nur schwer berechnen und nicht genau prognostizieren lässt und die Auswirkungen gravierend sein können, ist es lange noch kein schwarzer Schwan. — Einen solchen hätten wir erst, wenn in der Folge ein Vulkan ausbrechen oder die Erdkugel auseinander brechen würde. Denn das wäre nach heutigem Wissensstand tatsächlich undenkbar. Kriege, politische Umstürze, Börsencrashs etc. sind alles Situationen des (schwer kalkulierbaren) Risikos.

Der Ursprung der Metapher wird übrigens dem Wissenschaftstheoretiker Sir Karl Popper zugeschrieben. Damit wird die Widerlegbarkeit bzw. Fallibilität des Wissens deutlich gemacht. Der Satz “alle Schwäne sind weiss“, lässt sich durch die Beobachtung nur eines schwarzen Schwanes widerlegen. — Vor der Entdeckung Australiens, wo es tatsächlich schwarze Schwäne gibt, war es für die damaligen Naturgelehrten anscheinend undenkbar, dass Schwäne eine andere Farbe als Weiss haben könnten…

vgl. auch den Blogbeitrag
Warum das Unglück in Japan definitiv kein “Schwarzer Schwan” war

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