15.09.2011

Illegal Swiss Banking

Das Verhalten mancher Banker gereicht immer mehr zur Schande für die Schweiz. UBS und CS haben durch ein Geschäftsgebaren das im rechtlichen Graubereich liegt oder teilweise rundweg illegal ist, der Reputation unseres Landes Schaden zugefügt. Unsere Vertrauenswürdigkeit und der gute Ruf wurden langjährig und systematisch missbraucht, um gewinnbringende Geschäfte zu tätigen. Zwar war daran vermutlich nur ein kleiner Teil der Belegschaft beteiligt, doch sind die internen Kontrollen zu lasch oder man hat auf der Führungsetage weggesehen. — Allzu lange haben auch Öffentlichkeit und Politik beide Augen zugedrückt. Schliesslich waren die Banken gute Steuerzahler, wichtige Arbeitgeber und nicht zuletzt gute Lobbyisten.

Sündenregister

Das Sündenregister einiger Banken ist lang. So haben Mitarbeiter der UBS ausländischen Kunden während vielen Jahren systematisch Beihilfe zum Steuerbetrug geleistet. Dies hat UBS-Präsident Villiger bereits im Sommer 2009 eingestanden. Bei der Credit Suisse dürften die Dinge leider nicht viel besser liegen. Denn auch sie ist nun in die Fänge der US-Steuerbehörde (IRS) geraten.

Schamlosigkeit

Geradezu unverfroren ist zudem die Reaktion einzelner Banker auf den Druck aus den USA. «Es hat mich schockiert, dass offenbar frühere UBS-Mitarbeiter mitsamt ihren Kunden zu anderen Banken wechselten, um dort das gleiche Geschäft schamlos weiterzubetreiben», sagt Finanzministerin Widmer-Schlumpf diese Woche in der NZZ.

Bei so viel Schamlosigkeit fehlen einem fast die Worte. Der Schaden, welcher hier für das Ansehen unseres Landes und den Finanzplatz entsteht, scheint den Tätern und ihren Vorgesetzten egal zu sein.

Rationales Verhalten

Angesichts der hohen persönlichen Gewinne für die Banker sowie des bislang relativ geringen Risikos des Erwischtwerdens, ist dieses Verhalten — ökonomisch gesehen — vermutlich sogar individuell rational. Aus Sicht der betroffenen Banken und des Finanzplatzes entstehen massive negative Externalitäten. Durch falsche Anreizsysteme und fehlende Kontrollen haben sich die Banken aber auch selbst schuldig gemacht.

Kriminelle Händler

Dass die internen Kontrollmechanismen in manchen Bereichen auch heute noch mangelhaft sind, zeigt der aktuelle Fall eines UBS-Händlers, der durch nicht autorisierte Geschäfte einen Verlust von sagenhaften 2 Mrd. US$ verursacht hat. Gemäss UBS handelt es sich um einen «Händler mit beträchtlicher krimineller Energie» ; vgl. NZZ.

Man erinnert sich an die Fälle von Nick Leeson, der die Barings Bank 1995 zum Einsturz brachte sowie Jérôme Kerviel welcher bei der Société Générale im Jahre 2008 ca. 5 Mrd. Euro verspekulierte.

Was wir nie erfahren…

Alle diese Fälle wurden aufgedeckt, weil enorme Verluste durch das Eingehen hoher Risiken entstanden sind.

Doch was wäre geschehen, wenn sich die Risiken ausgezahlt hätten und hohe Gewinne resultierten? Hätte man die Händler dann wegen des illegalen Vorgehens gerügt? Wäre ein Verfahren eingeleitet worden? Hätte die Öffentlichkeit je davon erfahren?*

Vermutlich nicht. So entstand in der Bankenwelt ein Lernprozess, der in ein simples Motto mündet: Mach was Du willst, aber lass Dich nicht erwischen! Wenn Du Verluste machst, gehe noch höhere Risiken ein, um die Verluste zu decken. — Dieses Verhalten kennen wir aus dem Casino.**

Hieraus folgt letztlich auch, dass wir wohl nie erfahren werden, welcher Anteil der ausgewiesenen Bankgewinne aus illegalen Aktivitäten — sei es beim Handel oder bei der Verwaltung von Kundengeldern — stammt. Denn auch für die Banken gilt: Nur wer sich erwischen lässt, wird bestraft.

*Nachtrag vom 19.9.11: Bei allem, was inzwischen über den neuesten UBS-Fall geschrieben wurde ist interessant, dass sich kaum ein Kommentator die Frage gestellt hat, warum illegale Gewinne nicht auffliegen. Immerhin ist diese Ungereimtheit der Financial Times aufgefallen: «Incidentally, no big investment bank has ever exposed a rogue trader that made it big profits. Funny, that.»

(rogue = aggressiver Einzelgänger, zoologisch)

**Nachtrag vom 20.9.11: Heute scheint sich mein Verdacht zu erhärten. Die Investmentbanker der UBS haben das falsche gelernt. Sie haben das Casino-Verhalten verinnerlicht. Gemäss Guardian hat nämlich der Chef des UBS-Investmentbankings, Carsten Kengeter, seine Belegschaft dazu aufgerufen, den Verlust von 2.3 Mrd US$ wieder wett zu machen.

Wie sollte das denn möglich sein? Extragewinne in Milliardenhöhe sind nur im Rahmen noch höherer Risiken erzielbar. Ruft Kengeter seine Mitarbeiter hier tatsächlich auf, noch härter und riskanter zu zocken? — Falls es sich nicht um eine Zeitungsente handelt, hat das UBS-Investmentbanking damit sein eigenes Grab geschaufelt…

Nachtrag vom 18.11.2011: Offenbar war alles noch schlimmer, wie die NZZ heute berichtet

Die UBS erhielt im Fall dieser unerlaubten Handelsgeschäfte 2009 wegen «System- und Kontrollfehlern» von der FSA eine Busse über 8 Mrd. £, die sie bezahlte. In der damaligen Medienmitteilung kommentierte die Behörde, es habe bei der Grossbank System- und Kontrollfehler gegeben, weshalb Mitarbeiter unerlaubte Transaktionen mit Kundengeldern in mindestens 39 Fällen ausführen konnten. Die UBS-Mitarbeiter hätten mit Devisen und Edelmetallen gehandelt und Kundenkonten Verluste zugewiesen. Gemäss einer internen UBS-Untersuchung habe es auf dem Höhepunkt des Tuns bis zu 50 solche unerlaubte Transaktionen pro Tag gegeben.

Kommentare

In der Finanzwelt fällt es relativ leicht zu betrügen. Kennt jemand die einzelnen Finanzprodukte, sowie die Abläufe in der Bank und weiss seine Geräte zu bedienen, kann er ans Werk gehen. Der Betrüger muss keinen grossen Aufwand auf sich nehmen. Garantiert nicht im Vergleich zu Machenschaften die ähnliche Erträge einbringen – wenn überhaupt. Dazu kaum der mögliche hohe Gewinn. Realisiert der Betrüger diesen, gibt es keinen Ärger. Scheitert er, mag die Strafe im Vergleich zur möglichen Belohnung gering sein. Das senkt die Hemmschwelle.

Der Kriminelle Händler wurde nicht frühzeitig verifiziert. Vorausgesetzt, dass keine Politik des wegschauen gilt, lässt das nichts Gutes erahnen. Wie soll man einer Bank dieser Grösse vertrauen, wenn sie ihre eigenen Leute nicht kontrollieren kann? Umso bedeutender ist es, das „too-big-to-fail-Problem“ nachhaltig zu lösen. Angenommen unsere Banken meistern die Herausforderungen der Zukunft gut, wachsen ihre Bilanzen. Wenn wir zu erwartenden Wirtschaftswachstum von Schwellenländern betrachtet und es mit jenem der Schweiz vergleichen, kommt man sofort zum Schluss, dass die Bilanzen der Banken überproportional zu unseren Bruttoinlandsprodukt wachsen. Wir werden noch unfähiger sein, unsere Banken zu retten.

Das Fehlverhalten der Banken nach den Fall UBS wirft einen dunklen Schatten auf die Schweiz. Er könnte mit einem „Totalschaden“ enden. Wir müssen uns selbst hinterfragen. Hat das Bankgeheimnis eine Legitimität? Lange Zeit war ich dieser Meinung. Jeder trägt für seine Verpflichtungen selbst Verantwortung. Ich ging davon aus, dass unsere Banken und ihr Personal über die nötige Integrität verfügen, um fehlbare Kunden abzulehnen. Heute habe ich Zweifel. Sie nahmen fehlbare Kunden und deren Vermögensverwalter auf. Andere Vermögensverwalter machten sich selbstständig, um die Kunden weiter zu betreuen. Selbst wenn sie kein Schweizer Recht verletzten, halfen sie ein anderes Land zu betrügen, in dem sie unsere Gesetze verwendeten. Das darf nicht sein. Das kann die Schweiz nur in die Schusslinie anderer Staaten bringen. Kein Staat kann es hinnehmen, dass aus einem anderen Staat Personen operieren, die ihren Bürgern helfen, heimisches Recht zu brechen.

Ich erinnere mich, als die Offensive gegen „Steueroasen“ begann und der Fall UBS Publizität erhielt, sagte ein amerikanischer Senator oder Abgeordneter, das die Steueroasen gegen die USA einen (finanziellen) Krieg führen. Ich weiss nicht ob es Senator Carl Levin war. Seit damals haben sich die Wogen wahrscheinlich nur in der Öffentlichkeit geglättet. Die US Behörden arbeiteten, um weitere fehlbare Banken zu erwischen. Daten erhielten sie von der UBS, von reuigen Steuersündern und verhafteten Vermögensverwaltung. Und die Schlinge zieht sich weiter zu. Schlussendlich könnte Fatca nicht nur das Bankgeheimnis gegenüber den USA eliminiere, sondern die Banken und unsere Finanzplatz gleich mit. Die fehlbaren Banken liessen sich in den USA zur Rechenschaft ziehen. Bussen und Schadensersatzforderung könnten viele Banken ernsthaft bedrohen. Die gewonnenen Daten könnten die USA an andere Staaten weitergeben. Ich bin über ihre diesbezüglichen Abkommen nicht informiert. Mit diesen Informationen können andere Staaten ebenfalls gegen diese Banken vorgehen.

Ich denke nicht, dass die korrupten Vermögensverwalter rational handelten. Wenn man die Gewinnaussichten sieht, kann man das so sehen. Vielleicht fühlten sie sich hinter dem Bankgeheimnis einfach sicher. Jeder der in den USA lebte, oder sich mit ihrem Rechtssystem auskennt, musste wissen, dass die nicht aufhören. Zu gut sind die Karrierechancen, wenn sich ein Staatsanwalt oder Beamter bewährt. Senator, Gouverneur, Abgeordneter, um nur die Spitze zu nennen. Auf der anderen Seite steht die senatorische Inquisition/Senatsausschuss. Ich erinnere mich, wie sie die Börsenaufsicht nach der Finanzkrise auseinandernehmen. Enron ist auch ein Beispiel, oder die zitternden UBS-Banker. Obwohl die US Amerikaner wenige Liebe für Steuern haben, verfolgen sie Steuersünder unerbittlich. Der Secret Service – der vor allem bekannt ist, weil er den Präsidenten beschützt – wurde ursprünglich gegründet, um Steuersünder zu jagen. Ich glaube in Kalifornien werden säumige Steuersünder im Internet an den Pranger gestellt. Wer die Prozesse gegen Steuersünder verfolgt – unter anderen gegen die UBS-Steuersünder – konnte nur zur Schlussfolgerung kommen, dass die Probleme nicht aufhören. Die USA dehnen ihr Rechtssystem gerne auf andere Staaten aus. Sie glauben teilweise fanatisch an dessen Überlegenheit. Wenn ich mich nicht irre, können US-Bürger Schänden und Rechte in den USA einklagen, wenn ihnen in einem anderen Land Unrecht wiederfährt. In den USA tätige Konzerne, stehen vor US-Gerichten, wenn sie in anderen Staaten korrupt handelten, oder wenn sie mit Staaten, die ihnen missfallen, Geschäfte tätigen. Die USA lernten, dass Gesetze für ihre Zwecke zu nutzen. Die Grösse ihrer Volkswirtschaft lässt das zu.

Der Druck der USA ist vollkommen gerechtfertigt. Die Klage gegen die UBS war gerechtfertigt. Wenn die Beweislage stimmt, werden Klagen gegen andere Schweizer Bank ebenfalls berechtigt sein. Von einer genügenden Beweislage können wir ausgehen. Sollte ein Gericht entscheiden, dass die Banken Kundendaten ausliefern müssen, aber diese sich auf das Bankgeheimnis berufen, nehmen die USA uns zu Recht ins Visier. Die Banken brachen US-Recht, dafür stellen sie die USA vor ein US-Gericht, das legitimiert ist, über die Bank zu urteilen. Verlangt sie die Auslieferung von Kundendaten und sagt die Schweiz: „Stopp, das Bankgeheimnis verbietet hat, unser Rechtssystem verbietet das.“ So verhindern wir die Umsetzung des US Rechtssystems. Wir greifen in ihre Rechtsstaatlichkeit ein. Es muss zu einer Auseinandersetzung kommen. Aufgrund des Verhaltens unserer Banken sind die USA im Recht. Unsere Gesetze sind nicht illegitim oder kriminell, aber wenn zwei legitime Rechtssysteme einander gegenüberstehen, kann nur die Moral dazu gezogen werden. Und die kann nur auf der Seite der USA sein. Als letztes Mittel könnten die USA sogar die Schweiz in den USA vor Gericht stellen. Sie könnten geltend machen, dass unsere Gesetze sie systematisch schädigten und die Steuern aus den illegalen Geschäften der Banken – hie ist das erfolgreiche Lobbying interessant – uns Wohlstand brachten.

Regulierung schützt uns vor neuen Verwerfungen. Vor den kriminellen Handlungen unserer Banken können wir uns nur schützen, wenn wir mit den USA kooperieren. Eine Abgeltungssteuer böte einen Ausweg. Aufgrund der Faktenlage, müssten die Banken viel bezahlten. Die Konzessionen der Schweiz werden vor allem unangenehm sein, weil wir uns mit unserer Fehleinschätzung auseinandersetzen müssen. Immerhin gibt es einige gute Gründe für die USA mit uns zu verhandeln: Direktinvestitionen, diplomatische Zusammenarbeit, Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung, der Falle einer CS schadete ihnen ebenfalls….

[...] der Schweiz wird man diese Entwicklung sehr wahrscheinlich mit einem unaufgeregten, typisch schweizerischen, Zorn beobachten. Nachdem die UBS zwischen 2007 und 2008 einen Verlust von fast 28 Mrd. Schweizer [...]

Hinterlasse einen Kommentar

Dein Kommentar:

Kategorien