25.09.2011

Selbstdemontage

Recycling ist an sich eine gute Idee — beispielsweise wenn die Umwelt durch Wiederverwendung gebrauchter Flaschen geschont wird. Bei Menschen ist Vorsicht geboten. Wenn ehemalige Stars ins Rampenlicht zurück kehren ist die Gefahr gross, dass sie scheitern.

Das Kalkül sieht eigentlich schlecht aus. Wer in einem Bereich bereits ganz oben war, kann meist nicht mehr viel dazu gewinnen, aber viel verlieren. Dies gilt für Politik, Sport und Wirtschaft gleichermassen. Kaspar Villiger hat es vom Chef einer KMU zum Bundesrat gebracht, Michael Schumacher war 7 mal Weltmeister der Formel 1 und Oswald Grübel hat bei der Crédit Suisse eine glanzvolle Karriere hinter sich gebracht. Keiner von ihnen hatte es wirklich nötig, sich nochmals zu profilieren. Dennoch haben sie es versucht — und sind gescheitert.

Es ist ein verbreiteter Irrglauben, dass Ökonomen Geld als einzigen Anreiz für menschliches Handeln verstehen würden. Gerade diese Beispiele zeigen, dass auch nicht-monetäre Ziele eine Rolle spielen. Deshalb geht die Ökonomie als Sozialwissenschaft davon aus, dass Menschen meist vielfältige monetäre und nicht-monetäre Ziele gleichzeitig verfolgen.

Neben dem Einkommen zählen Status, Ehre und Macht zu den zentralen Motivatoren. Bezüglich Villiger, Schumacher und Grübel lässt sich nun trefflich spekulieren, welche Faktoren für deren Comeback massgeblich waren. Jedenfalls scheint es mir klar, dass es nicht allein ums Geld geht. Weil Michael Schumacher schon fast alle Rekorde in der Formel 1 hält, geht es im vielleicht nur um eines: ums Rennfahren. Er ist mit anderen Worten intrinsisch motiviert. — Ob dies auch für Villiger und Grübel gilt, muss offen bleiben. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass sie sich die Arbeit bei der UBS beim Jobantritt einfacher vorgestellt haben.

Doch warum sind sie gescheitert? Meine These ist, dass ihre ursprüngliche Leistung nicht nur auf persönlichen Merkmalen und hohem Einsatz beruhten, sondern das Ergebnis von Teamarbeit war. Teamleistungen lassen sich nicht ohne weiteres andernorts wiederholen. Versetzt man eine erfolgreiche Person in einen anderen Kontext, ist der Erfolg keinesfalls garantiert.

Schumachers Erfolge bei Ferrari beruhten massgeblich auf der Kombination von Fahrer, Auto und Supportteam. Die besten F1-Fahrer sind nicht nur auf der Piste schnell, sie können auch das Auto gemeinsam mit den Mechanikern optimal auf die Verhältnisse abstimmen und sie tragen zur Weiterentwicklung der Fahrzeuge bei. Beim Comeback mit Mercedes hat dies nicht mehr gleich funktioniert. Ebenso scheint Grübel im Kontext der UBS und deren Kultur viel mehr Mühe gehabt zu haben als vormals bei der Crédit Suisse, die er mitprägen konnte. Villiger konnte seine Fähigkeiten als integrativer Teamplayer, welche im Rahmen des Bundesrats hilfreich waren, im Haifischbecken einer Grossbank nicht einbringen.

Was folgt hieraus? Erstens beruhen die Erfolge von Einzelpersonen oftmals tatsächlich auf Teamleistungen. Personen welche im einen Kontext erfolgreich sind, müssen dies in einem anderen Kontext nicht unbedingt ebenfalls sein.Werden beispielsweise im Bankensektor erfolgreiche Händler oder Vermögensverwalter von der Kokurrenz abgeworben, ist ihre Performance beim neuen Arbeitgeber oftmals deutlich geringer. Deshalb wird gerne versucht, ganze Teams abzuwerben.

Zudem gilt das umgekehrte, indem “Non-performers” in einem anderen Kontext durchaus hervorragende Ergebnisse erzielen können.

Zweitens haben “former Performers” eine besondere Fallhöhe. Von ihnen erwartet man weiterhin aussergewöhnliche Leistungen. Wenn sie diese nicht erbringen, fällt das Urteil schnell einmal besonders negativ aus. Jedenfalls hätten Villiger, Schumacher und Grübel in der Öffentlichkeit eine andere Erinnerung hinterlassen, wenn sie der Versuchung eines Comebacks widerstanden hätten. Stattdessen haben sie ihren guten Namen selbst demontiert.

Kommentare

Zur Erinnerung: Grübel verliess anfangs 2007 die CS und die Presse war voll des Lobes, auch für das Investment Banking…

Credit-Suisse-Chef geht mit Rekordgewinn

Ein rasantes Wachstum im Investment Banking brachte dem zweitgrössten Schweizer Bankkonzern 2006 fast eine Gewinnverdoppelung auf 11,33 Milliarden Franken ein. …
Die unter Grübels Leitung neu ausgerichtete und von Altlasten befreite Bank konnte auch besser als früher von den boomenden Aktienmärkten profitieren. …
Nun ist ein starkes Fundament für weiteres Wachstum gelegt,“ erklärte Grübel. „Man braucht mich nicht mehr und ich kann endlich in Pension gehen“. …
Die Zahlen für das Investment Banking sind umwerfend“, sagte ein Bankenanalyst aus London. Die Aktien von Credit Suisse legten über drei Prozent auf 91,50 Franken* zu.

Quelle: Wirtschaftswoche, 15.02.2007
*aktueller Kurs: 24.00 CHF

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