14.01.2012

Freibier für alle!

Eine Umfrage der deutschen Biertrinkerpartei hat ergeben, dass sich 87,3% der männlichen Bevölkerung tiefere Preise für Gerstensaft wünscht. Die Partei hat prompt reagiert und verlangt in einer Initiative „Mehr Freibier für alle.”

Laut einer Umfrage des Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse wünschen sich drei Viertel der Bevölkerung und fast 90 % der Erwerbstätigen mehr Ferien. Nur gerade 14 % sind mit dem Status Quo zufrieden. Der Verband lanciert deshalb die Initiative “Mehr Ferien für alle“.

Leider ist nur eine der beiden Initiativen frei erfunden. Die andere Bier-Idee entstand tatsächlich am Hopfenweg 21 in Bern, dem Hauptquartier von Travail Suisse, und verlangt die verfassungsmässige Verankerung von mindestens 6 Ferienwochen pro Jahr für alle Arbeitnehmenden, statt bislang 4 Wochen. Die Stimmbürger dürfen sich dazu am 11. März 12 an der Urne äussern. Falls die Umfragewerte des Institut Demoscope stimmen, wird die Vorlage mit 57% JA-Stimmen angenommen (Quelle).

Einmal abgesehen davon, dass das Timing aufgrund der aktuell schlechten Konjunkturaussichten alles andere als optimal ist, verdient der gewerkschaftliche Vorstoss das Label „Populismus in Reinkultur“.

Eingriff in den Arbeitsmarkt

Denn es handelt sich um einen Eingriff in die Autonomie der Tarifpartner am Arbeitsmarkt. Es war bislang stets ein grosser Vorteil der Schweiz, über flexible Arbeitsmärkte zu verfügen und die Arbeitsverträge (inkl. Arbeitszeiten, Ferien und Löhne) durch die Arbeitnehmer und –geber bzw. deren Vertreter im Rahmen relativ weit gefasster Eckwerte aushandeln zu lassen. Dass wir eine im internationalen Vergleich sehr tiefe Arbeitslosigkeit haben, vor allem auch bei Jugendlichen, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis flexibler Lösungen auf Branchenebene. Diesen Vorteil dürfen wir nicht leichtfertig verspielen, indem wir die Spielräume branchenübergreifend verengen.

Es scheint aus Sicht der Rolle der Gewerkschaften verständlich dass sie versuchen, die zweifellos bestehenden Produktivitätsgewinne zugunsten ihrer Klientel umzuverteilen. Es ist der uralte Kampf der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital um die durch Wachstum geschaffenen zusätzlichen Einkommen, welche entweder in höhere Löhne und/oder mehr Freizeit oder aber in höhere Zinsen und Dividenden fliessen können. Wenn die Ferien ohne anderweitige Kompensation durch ein staatliches Dekret erhöht werden, ist dies nichts anderes als eine verdeckte, politisch verordnete Lohnerhöhung.

Zielkonflikte und Paternalismus

Hierbei sind mehrere Zielkonflikte zu beachten. Einerseits wird der Faktor Arbeit im Inland verteuert, wodurch ein Anreiz zur Substitution durch Kapital oder ausländische Arbeit entsteht. Beides ist letztlich nicht im Interesse der Arbeitnehmenden in der Schweiz. Für viele Klein- und Mittelunternehmen (KMU) bedeuten zwei zusätzliche Wochen Ferien pro Jahr eine erhebliche finanzielle Belastung und die Gefahr von Entlassungen, zumal in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, steigt klar an. Dem Zielkonflikt zwischen Löhnen und Beschäftigung können die Gewerkschaften nicht entrinnen.

Andererseits verordnet die Initiative den Arbeitnehmenden mehr Freizeit statt mehr Lohn. Es ist unverständlich, warum die Abwägung zwischen diesen beiden Grössen nicht den Individuen überlassen wird. Der Slogan „mehr Ferien für alle“ verschleiert diesen Zielkonflikt. Korrekterweise müsste in der genannten Umfrage ermittelt werden, ob jemand lieber mehr Freizeit bzw. Ferien oder mehr Lohn haben möchte. Die Antwort würde zweifellos differenziert ausfallen und von den Präferenzen und Lebensumständen abhängen.

Selbst wenn es sinnvoll und kostenlos möglich wäre, dem Faktor Arbeit zusätzliche Anteile am Produktivitätswachstum zukommen zu lassen, kann hierdurch der resultierende Nutzen für die Arbeitnehmenden nur maximiert werden, falls diese frei zwischen mehr Lohn oder mehr Freizeit wählen können. Die Gewerkschaften nehmen hier einen stark paternalistischen Standpunkt ein, indem sie der arbeitenden Bevölkerung mehr Freizeit vorschreiben wollen.

Volkswirtschaftliche Kosten

Dies passt immerhin ins eingeschlagene Argumentationsmuster von Travail Suisse. Die volkswirtschaftlichen Kosten werden mit etwa 7 Milliarden Franken angegeben. Nicht berücksichtigt sind dabei allerdings die Kosten, welche sich durch strukturelle Effekte – wie etwa Arbeitsplatzverluste wegen Substitution durch Maschinen oder Verlagerung ins Ausland – ergeben.  Dafür werden die Kosten der Initiative von Gewerkschaften, SP und Grünen mit den Kosten, welche sich durch hohe Belastung am Arbeitsplatz ergeben verglichen. Letztere Betragen angeblich 10 Milliarden, sodass der Initiative ein Netto-Spareffekt unterstellt wird.

Zwar ist ein Zusammenhang zwischen der Belastung am Arbeitsplatz und gesundheitlichen Problemen (u.a. burnout) nicht von der Hand zu weisen. Verschiedene Studien belegen die negativen Einflüsse von Stress und untersuchen dessen Kosten (vgl. Stress beim Seco). Dennoch bleiben auch nach Konsultation des “Grundlagenpapiers” die 10 Milliarden Stresskosten ebenso schleierhaft, wie der vermutete Zusammenhang zwischen diesen Kosten und dem Ansinnen der Initiative. Auf eine seriöse Untersuchung dieses Zusammenhangs wurde leider verzichtet.

Obwohl dies parteipolitisch ein Faux-Pas wäre, sollten sich die Initianten vielleicht besser auf unseren Ex-Gesundheitsminister Couchepin berufen, der schon vor Jahren befand, dass „Ferien auch gut für die Gesundheit“ sind. Und in der Demoscope-Umfrage von Travail Suisse fanden 77% der Befragten, dass Ferien eher oder sehr zu ihrer Gesundheit beitragen. Dann müssten die Extra-Ferien allerdings von der Grundversicherung übernommen werden, womit die Initiative endgültig als Bier-Idee entlarvt wird.

Na dann Prost!

Kommentare

“Es ist der uralte Kampf der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital um die durch Wachstum geschaffenen zusätzlichen Einkommen, welche entweder in höhere Löhne und/oder mehr Freizeit oder aber in höhere Zinsen und Dividenden fliessen können.”

Da stellen sich die Fragen, auf welcher Seite der Staat in diesem “uralten Kampf” steht, und ob Ökonomen automatisch auf der Seite des Kapitals stehen (müssen).

Ich finde z.B. den Vorstoss von Travail Suisse nicht “Populismus in Reinkultur”. Ein paar ernsthafte Fragen drängen sich schon auf, bevor man gleich den Untergang Helvetiens kommen sieht:

1. Sprechen all diese Argumente nicht auch schon gegen die derzeitige Regelung (vier Wochen)?
2. Wieviele Arbeitnehmer haben denn jetzt schon fünf oder sechs Wochen?
3. Wie sieht es im europäischen und internationalen Vergleich aus?
4. Wieviel Lohnerhöhung entsprechen denn die zusätzlichen Ferien?
5. Sind Ferien tatsächlich mit Lohn gleichzusetzen (weil sie den Arbeitgeber Geld kosten) oder gehören sie eher zu den Rahmenbedingungen, ähnlich wie die gesetzlichen Regelungen zu Arbeitssicherheit, Arbeitszeit/Pausen und Arbeitsrecht?

Die Argumente gegen die Initiative sind m.E. dieselben wie gegen die Fünftagewoche, gegen Feiertage, gegen Begrenzungen der Arbeitszeit.

Ausserdem hätte ich auch gerne mehr Ferien. Für mich ist das nicht nur eine Frage der ökonomischen Effizienz, sondern auch der Fairness. Warum sollte sich eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Erde nicht ein wenig mehr Fairness leisten?

Herzliche Grüsse

P.S. Meine Umrechnung in eine Lohnerhöhung ergibt grob gerechnet zwischen 0 und 3.5%, vermutlich 1.5% bis 2.0%. Für die meisten Unternehmen wird das dann 0.75% bis 1% der Kosten ausmachen.

Lieber Horst,
vielen Dank für Deine vielen Fragen. Um dem Untergang Helvetiens entgegen zu wirken, hier meine Antwort.

Grundsätzlich geht es ja um die ordnungspolitische Frage, wie stark der Staat in die Tarifautonomie der Sozialpartner eingreifen soll. Soll er sich auf die Seite der Arbeit oder des Kapitals stellen? Mit welcher Begründung?

Aus ordo-liberaler Sicht trete ich für gewisse Mindeststandards ein, die von den Tarifpartnern ausgehandelt werden. Dies betrifft insbesondere Deine Fragen 2 bis 5, die sich allenfalls auf Branchenebene beantworten lassen.

Vor allem in Branchen mit vielen kleinen Betrieben (z.B. Bau, Gastgewerbe, Landwirtschaft, Reinigung, Coiffeur) sind aufgrund des geringen Organisationsgrades der Arbeitnehmenden Mindeststandards nötig, welche nicht nur die Arbeitsbedingungen (z.B. Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz) betreffen, sondern auch Arbeitszeiten, Ferien und Löhne einschliessen können. In diesen Branchen gibt es ausgehandelte Gesamtarbeitsverträge, die teilweise vom Bundesrat für allgemeinverbindlich erklärt worden sind (vgl. aGAV beim Seco, inkl. einer Liste).

Bezüglich der ersten Frage zeigt sich: In der Schweiz werden die Rahmenbedingungen auf Branchenebene ausgehandelt. Gestützt auf gesetzlich definierte Kriterien, greift der Staat seit 1957 nur selektiv ein. Das hat zu Lösungen geführt, die den jeweiligen Gegebenheiten angepasst sind. Durch dieses Vorgehen haben wir den vermutlich besten Arbeitsmarkt Europas mit tiefer Arbeitslosigkeit. Branchenübergreifende Diktate à la francaise sind unnötig und führen ins Abseits – sprich zu zusätzlicher Arbeitslosigkeit.

Die Ferien-Initiative der Gewerkschaften, wie auch die Mindestlohninitiative, scheinen mir eher aus der Not geboren, wieder einmal auf politischer Ebene Flagge zeigen zu müssen. Seit Jahren leiden sie unter Mitgliederschwund…

PS: Ja, ich hätte auch gerne mehr Ferien. Ist mein Arbeitgeber unfair, wenn er mir die nicht gibt…?

Das Schweizervolk darf stolz auf sich selbst sein.
Es hat am 11. März 12 sehr souverän abgestimmt und die Ferieninitiative mit 66.5% Nein abgelehnt. Was wohl in den meisten Ländern der Erde auf Unverständnis stösst, ist in der Schweiz möglich.

Da fragt sich nun, warum das Institut Demoscope bei seiner Umfrage im Auftrag der Gewerkschaften auf ganz andere Zahlen kam. Was hätte die Demoscope-Umfrage ergeben, wenn der Auftraggeber der Arbeitgeberverband gewesen wäre?

Zu dieser Frage müsste man nun Demoscope befragen…

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