23.10.2013

Schuldenfreier Staat?

Soll ein Staat möglichst schuldenfrei sein? Sollten wirtschaftlich stabile Länder wie die Schweiz oder Deutschland ihre Schulden zurück zahlen? – Ökonomisch gesehen ist die Antwort ein doppeltes Nein. Denn erstens gibt es Staatsausgaben, die über längere Zeit finanziert werden müssen und zweitens gibt es Sparer, die ihr Geld möglichst sicher anlegen möchten.

Der deutsche Finanzminister Schäuble wurde am Rande der Währungskonferenz in Washington gefragt, wann denn Deutschland seine Schulden zurückgezahlt haben werde: „Hoffentlich nie!“, lautete die Antwort. Zum letzten Mal sei das Land 1948 schuldenfrei gewesen, also nach Krieg und Diktatur (Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 14.10.13).

Für wirtschaftlich gesunde Länder ist es schon fast eine ökonomische Pflicht, Schulden zu machen und es damit Sparern und Anlegern zu ermöglichen, Gläubiger zu werden. In vielen Ländern, insbesondere auch der Schweiz, ist beispielsweise die Altersvorsorge darauf angewiesen, dass jemand die Gelder annimmt, sprich sich verschuldet.

Viele Pensionskassen beschränken in ihren Reglementen aufgrund der höheren Risiken die Möglichkeiten der Anlage in private Wertpapiere wie Bonds und Aktien. Ohne Bundesanleihen wären die Anlagerisiken zweifellos höher.

Freilich gibt es für den Staat auch Grenzen. Insbesondere begrenzt der Schuldendienst den frei verfügbaren Teil des Budgets. Anteile von rund 25% wie in Japan deuten auf eine Zeitbombe hin, weil dieser Anteil bei einem Zinsanstieg massiv steigen wird, was letztlich nur eine Frage der Zeit ist.

Dass Schulden auf spätere Generationen vererbt werden und diese belasten, ist ein oftmals genanntes Phänomen, aber per se kein Problem. Denn es werden nicht nur die Schulden vererbt, sondern auch die Guthaben. Abgesehen von der Einschränkung des Budgets kommt es deshalb darauf an, wofür die Schulden gemacht wurden und dass die künftigen Generationen von den früheren Ausgaben profitieren können, beispielsweise in Form von Infrastruktur, Gesundheit oder Bildung. 

Zudem ist relevant, bei wem die Schulden gemacht werden. Eine Verschuldung im eigenen Land (wie in Japan) erscheint deutlich weniger heikel als eine hohe Auslandverschuldung (wie in Griechenland), denn im ersten Falle bleiben Schulden und Guthaben über Generationen hinweg gewissermassen in der Familie.

Aktuell beruht die schleppende wirtschaftliche Entwicklung zumindest teilweise auch darauf, dass viele Staaten nicht mehr Schuldner sein wollen, während private Investoren beim Schuldenmachen ebenfalls zurückhaltend sind.* Zusammen mit der Geldschwemme der Notenbanken beschert uns dies eine Situation mit tiefen Zinsen, in der die Immobilienbesitzer fast noch die einzigen sind, die sich freudig verschulden. Und dies führt bekanntlich zur Gefahr einer Immobilienblase.

*vgl. meinen Vortrag am ZHAW-Alumni Dinner (Juni 2013).

Kommentare

Schön, dass mal deutlich darauf hingewiesen wird, dass Guthaben auch Schulden bedeuten oder umgekehrt, Schulden bedeuten auch woanders Guthaben. Dumm ist dabei nur, dass sich diese Guthaben bei ganz wenigen Leuten zusammenballen und laufend noch grösser werden. Da dieser Vorgang exponentiell verläuft, müsste eigentlich klar sein, dass das nicht ewig gut geht.
Die angesprochenen Probleme liessen sich sicher auch anders lösen, als nur am dem Tod geweihten System festzuhalten.

@Haggenmacher:
Vielen Dank für den Kommentar! Mich würde interessieren:
1. Wer sind die wenigen Leute, bei denen sich die Staatsschulden “zusammenballen”?
2. Wie lässt sich das Problem “anders lösen”? Sparer haben seit einiger Zeit das Problem, dass es kaum risikoarme Anlagemöglichkeiten gibt…

Sehr geehrter Herr Slembeck,
1. Ich spreche von allen Schulden und nehme an, Sie kennen den Herrn Helmut Creutz. Er zeigt anhand von nachgeführten Statistiken, dass ein Grossteil der Vermögen in ganz wenigen Händen liegt. Es sind die ungefähr 10% der Leute, die, über alles gerechnet, einen positiven Zinsertrag auf Ihre Vermögen einfahren. Von erarbeiten wollen wir lieber nicht sprechen. Neunzig Prozent zahlen netto bei den Zinsen drauf. Was die Staatssculden anbelangt, dürfte vielfach eine Bank dazwischen geschaltet sein, denn irgendwoher hat sie ja das Geld.
2. Ich bin der Ansicht, dass unser Geldsystem am Ende ist. Ein anderer Ansatz wäre ‘Fliessendes Gels’ oder Schwundgeld, bei dem der Sparer glücklich ist, wenn sein angelegtes Geld wenigstens wertkonstant bliebe. Eine weitere Idee ist das jetzt diskutierte Grundeinkommen.
Im übrigen darf ich Sie auf die Internetseite von: http://www.wissensmanufaktur.net von Andreas Popp und deren Plan B hinweisen: In einem Satz: fliessendes Geld, soziales Bodenrecht, Grundeinkommen und nicht zuletzt eine wirklich freie Presse, die bei den hier angetönten Problemen keinen Maulkorb trägt!
Im Netz gibt es doch schon eine richtige Szene, die Antworten sucht auf die Frage: wie weiter nach dem Crash. Nur eben, Politik und Wissenschaft vernebeln und unterdrücken…

Besten Dank, Herr Haggenmacher!
Obwohl dies nicht zum Thema gehört: Herr Creutz war mir bislang unbekannt. Auf seiner Website habe ich viel Richtiges und Neues gelesen. Leider ist das Richtige nicht neu und das Neue nicht richtig.

Ideen zur “Überwindung des Geldsystems” gibt es schon lange und sie sind ebenso zahlreich, wie untauglich und wirr. — Das gedankliche Chaos beginnt jeweils bei der Vermengung wichtiger Grundkategorien wie Geld, Vermögen und Einkommen, und es endet gerne mal in Verschwörungstheorien (Medien, Politik, Wissenschaft haben einen Maulkorb…).

Wie geht es nach dem Crash weiter?
Antwort: So wie vorher auch.
Banken werden etwas stärker reguliert, Ratingagenturen sind vielleicht etwas vorsichtiger, Staaten auch.

Aber: Krisen lassen sich nicht völlig vermeiden. Sie gehören als reinigendes Freuer zur Marktwirtschaft. Sie sind wichtig als Teil der schöpferischen Zerstörung (J.A. Schumpeter), welche Überteibungen korrigiert, ungesunde Entwicklungen stoppt und damit Raum für Innovationen schafft.

Anstelle der Revolution (Abschaffung des Geldsystems) steht die Evolution, die durch kleine und grosse Krisen die Fittesten (nicht die Grössten!) überleben lässt.

Sehr geehrter Herr Slembeck,
eine andere Replik habe ich eigengtlich nicht erwartet! Nur, alle die, die neue Ideen entwickeln, sind ja nicht einfach alle blöd… Bitte lesen Sie meine Formulierung vom Maulkorb nochmals. Sie gehen da etwas allzu frei um mit meiner Aussage!
Immerhin, es freut mich, dass wir beide soweit einig gehen, dass der Crash kommen muss. Leider befürchte ich, dass Sie recht haben, es wird weitergehen wie zuuvor und würde ich jetzt weiterschreiben, begänne wieder das von Ihnen
heraufbeschworene gedankliche Chaos.
Lassen wirs!
Freundliche Grüsse
M. Haggenmacher

Die Antwort von Herrn Slembeck finde ich nüchtern und ok … Es wäre aber tatsächlich interessant – insofern ein berechtigter Einwand von M. Haggenmacher -, zu “neuen Ideen” mal einen Blogeintrag zu lesen, der erläutert, weshalb viele Ideen “untauglich und wirr” sind. Und, wie ich meine, oft Grundkenntnisse vermissen lassen oder durcheinander wirbeln.

In Blogs sollte man zwar nicht zu langfädig werden: dennoch wäre auch beim Thema dieses Artikels (schuldenfreier Staat), etwas mehr Hintergrund wünschenswert. Gut, vielleicht weiss der Leserkreis das alles.

Etwa zu den angesprochenen Grenzen der Verschuldung. Ich könnte mir vorstellen, dass “gute” Verschuldung nicht gleich (was warum nicht?), aber doch ähnlich wie bei allen Organisationen (Firmen) beurteilt werden soll:
=> Verschuldung für “Konsum”: nein/ausnahmsweise.
=> Verschuldung für Investitionen (die sich refinanzieren, oder beim Staat nicht?): ok.

Beste Dank, Herr Würgler!
Wer sich ausführlicher mit der Thematik beschäftigen möchte, dem empfehle ich zwei lesenswerte Beiträge von Kollegen C.C. von Weizsäcker im Bog der FAZ:

  • Das Janusgesicht der Staatsschulden (2010)
  • C.C. v. W. über den Nutzen von Staatsschulden für die schwäbische Hausfrau, die Logik von Nullrenditen und die Bedeutung der Kapitaltheorie (2012)

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