25.08.2015

Schockresistente Schweiz

Die Schweiz ging in den 1990er Jahren durch ein Tal der Tränen. Das Wachstum stagnierte über viele Jahre und die wirtschaftliche Stimmung war arg getrübt. Erst gegen Ende jenes Jahrzehnts zogen die Börsen an, aber es war lediglich eine Blase der Internetfirmen, die schon im Frühling 2000 wieder platzte.

Welche Katastrophen hätte man sich damals ausmalen können? Es fallen mir mindestens vier Dinge ein, von denen viele Wirtschaftsprofessoren wie auch Wirtschaftskapitäne sicher glaubten, dass sie die Schweiz in den Ruin treiben könnten. — Allerdings kam alles ganz anders….

Erstens war es damals kaum vorstellbar, dass die Schweiz als Nichtmitglied der EU langfristig prosperieren könne. Die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Integration mit unseren Nachbarländern war offensichtlich. Für unsere offene, exportorientierte Wirtschaft wäre es zweitens katastrophal, wenn sich der Schweizerfranken massiv aufwerten würde. Selbst vor fünf Jahren noch, galt ein Eurokurs von 1.50 pro Franken als absolute Schmerzgrenze.

Für unseren Finanzplatz konnte man sich in den 1990ern weitere Schreckensbilder ausmalen. Denn drittens könnte eine weltweite Finanzkrise unsere Banken ruinieren und viertens würde eine Abschaffung des Bankgeheimnisses den Todesstoss für die Finanzplätze Zürich, Zug und Genf bedeuten. –– Aus damaliger Sicht waren diese Ereignisse zusammen genommen ein vierfaches Desaster für unser Land.

Und heute?

Alles dies ist eingetroffen. Wir sind nicht EU-Mitglied, der Wechselkurs ist um über 50% gestiegen und liegt zum Euro nahe an der Parität. Die Banken wurden von der grössten Finanzkrise seit den 1930er Jahren durchgeschüttelt und mussten teilweise staatlich gerettet werden. Zudem wurde das Bankgeheimnis ersatzlos gestrichen.

Trotzdem steckt die Schweiz 2015 nicht in der Krise. Der Wohlstand ist in den letzten 15 Jahren kontinuierlich gestiegen und die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise gering. Die Beschäftigung ist trotz Frankenschock im letzten Jahr um 1.2% gestiegen. Die Zahl der Grenzgänger hat gar um 3,4% zugenommen.

Auch herrscht keine Inflation und der Bund hat seine Schulden erst noch stetig abgebaut.

Wie ist das möglich?

Der Finanzsektor ist zwar prominent und steht in der Öffentlichkeit, ist aber für die Schweiz insgesamt weniger bedeutsam, als früher angenommen.

Die Schweizer Wirtschaft beruht im Kern auf einer grossen Zahl von KMUs, die effizient und innovativ für lokale und internationale Märkte produzieren. Die bilateralen Verträge mit der EU sichern ihnen den Zugang zu diesen Märkten. Die Bedeutung dieser Verträge ist nicht zu unterschätzen.

Unsere Finanzinstitute haben sich schliesslich als flexibel genug erwiesen, trotz fehlendem Bankgeheimnis weiterhin international führend zu sein. Wir sollten aber nicht vergessen: Der Bund und die Nationalbank haben mit der Rettung der UBS massgeblich dabei geholfen, unser Bankensystem zu stablilisieren. Ohne den Staat gäbe es die UBS in der heutigen Form nicht.

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Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags ist in meiner Kolumne im Sonntagsblick am 23. August 2015 erschienen.

Kommentare

SECO-Prognose: Die Schweiz entgeht einer Rezession
Wie ich schon am letzten Sonntag schrieb, geht es uns trotz Frankenstärke erstaulich gut. Heute gab die Expertengruppe des Staatssekretariats für Wirtschaft ihre Konjunkurprognose ab:

Die Konjunkturabkühlung der Schweizer Wirtschaft hat sich bestätigt. Das BIP zu konstanten Preisen ging im 1. Quartal 2015 um 0,2% zurück. Der Aussenhandel dürfte über das gesamte Jahr 2015 negative Wachstumsimpulse liefern. Dank der langsamen Aufhellung der europäischen Wirtschaft und der robusten Schweizer Inlandnachfrage wird für 2015 mit einem BIP-Wachstum von 0,8% gerechnet (Prognose vom März 2015: +0,9%).
Für 2016 wird eine Erholung mit einer BIP-Zunahme von 1,6% erwartet (Prognose vom März 2015: +1,8%). Seit dem Februar 2015 steigt die Arbeitslosenquote wieder allmählich. Sie dürfte in den Jahren 2015 und 2016 im Durchschnitt 3,3% bzw. 3,5% erreichen.
Quelle: Seco Medienmitteilung vom 28.8.15

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