7.08.2010

Bärendienst in Somalia

Gut gemeint ist manchmal das Gegenteil von gut. Die deutsche Regierung hat 1 Mio. Franken für die Ausbildung von 925 somalischen Polizisten ausgegeben. Diese sind nun verschwunden; NZZ vom 3.8.10. Falls sie sich wie befürchtet den islamistischen Milizen angeschlossen haben, hat man dem Land einen Bärendiest erwiesen.

Die gute Absicht bestand in einer Stabilisierung Somalias durch gut ausgebildete Polizeikräfte. Problematisch ist nur, dass die somalische Regierung den Polizisten kaum Löhne bezahlen kann. Gemäss NZZ zeigt ein Bericht der Monitoring Group on Somalia der UNO, dass ca. 80% aller ausgebildeten Sicherheitskräfte desertieren, weil sie nicht bezahlt werden. Viele schliessen sich Widerstandsgruppen an, die ihnen ein Auskommen ermöglichen.

Anreizunverträglichkeit

Das ist ein klassischer Fall von Anreizunverträglichkeit*. Regierungsfeindliche Gruppierungen erhalten Personal, das mit Hilfe ausländischer Programme ausgebildet wurde, was zur Destabilisierung des Landes beiträgt. Die gute Absicht verkehrt sich in ihr Gegenteil.

Die UNO hat dies erkannt und garantiert den Absolventen anerkannter Lehrgänge im Rahmen des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) ein Grundgehalt von 100 Dollar pro Monat. Das deutsche Aussenministerium hat die Akkreditierung der von ihm finanzierten Ausbildung bei der UNO anscheinend verpasst. Nun sind die Leute weg.

Konkurrenz am Arbeitsmarkt

Schon früher hatte man die Langzeitwirkungen des “empowerments” Somalias durch die Ausbildung von Sicherheitskräften falsch eingeschätzt. Die britische Sicherheitsfirma Hart Group hatte 1999 bis 2002 im Auftrag der Regierung eine schlagkräftige Künstenwache ausgebildet. Dabei ging es u.a. um den Umgang mit Waffen, das Entern von Schiffen und das taktische Vorgehen auf See.

Als das Personal der somalischen Küstenwache nicht mehr bezahlt wurde, wechselte es kurzherand die Branche und setzt seither seine Fähigkeiten zum eigenen Vorteil ein. Heute zählt es zu den “erfolgreichsten Piraten” am Horn von Afrika, wie die NZZ (3.8.10) schreibt.

Wieder einmal zeigt sich, wie wichtig es für die erfolgreiche Umsetzung von Massnahmen ist, die Anreizwirkungen zu antizipieren und die Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen.

Bessere Ausbildung führt zu höheren Löhnen. Diese muss auch die Regierung zahlen können, v.a. wenn sie am Arbeitsmarkt in Kokurrenz zu anderen Nachfragern (z.B. Guerillas) oder zur beruflichen Selbständigkeit (z.B. als Pirat) steht. Das ist simple Ökonomie, die auch in Somalia gilt.

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*Eine Anreizunverträglichkeit besteht, wenn die anreizbedingten Nebenwirkungen einer Massnahme so gross sind, dass deren Ziel nicht erreicht wird oder sich sogar ins Gegenteil verkehrt.

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