9.08.2010

Affenökonomie

Gut möglich, dass sich viele Manager in der Finanzkrise nicht anders verhalten haben als Primaten. Mensch wie Affe geht bei Verlusten höhere Risiken ein, als bei Gewinnen. Dies jedenfalls legen neue Experimente der Yale University nahe.

Betrachen Sie die beiden folgenden Situationen und entscheiden Sie sich jeweils für A oder B.

Während A) jeweils ein sicheres Ereignis (Gewinn oder Verlust) darstellt, ist der Münzwurf unter B) mit einem Risiko verbunden. Falls Sie in Situation 1 die Option A) und in Situation 2 die Option B) gewählt haben, befinden Sie sich in bester Gesellschaft. Die meisten Menschen wählen so.

Allerdings bedeutet dies, dass wir uns risikoscheu verhalten, wenn es um Gewinne geht (Situation 1). Hier wählen wir oft bzw. im Durchschnitt die sichere Variante und meiden das Risiko. Umgekehrt verhalten wir uns risikofreudig, wenn es um die Vermeidung von Verlusten geht (Situation 2). Ökonomen bezeichnen dies als loss aversion.

Prospect Theory

Diese Beobachtung wurden in vielen Experimenten gemacht und liefert die Grundlage für eine Theorie des menschlichen Verhaltens unter Risiko, die so genannte Prospect Theory. Sie stammt von Amos Tversky und Dani Kahneman. Letzterer hat 2002 für seine Arbeiten den Nobelpreis erhalten. Ein paar Jahre zuvor hatte ich in London seine Vorlesungen besucht, war begeistert und liess mich zu eigenen Experimenten inspirieren.

Dass wir bei Gewinnen risikoavers und bei Verlusten risikofreudig sind — jedenfalls in Experimenten — ist einigermassen erstaunlich. Intuitiv hätte man sich’s wohl umgekehrt vorgestellt. In wiefern dieser Befund auch ausserhalb des Experimentallabors eine Rolle spielt, ist noch Gegenstand der Forschung. Ein wichtiger Bereich sind die finanziellen Entscheidungen von Anlegern und Investoren, mit denen sich die so genannte Behavioral Finance befasst.

Finanzkrise

Möglicherweise hilft der Befund aber auch, das Verhalten der Finanzmarktteilnehmer während der Finanzkrise besser zu verstehen. Als es ab 2007 aufgrund des Platzens der Sub-Prime-Blase im US-Häusermarkt zu immer mehr Verlusten kam, hat sich ein wesentlicher Teil der Akteure möglicherweise zunehmend risikofreudig verhalten. Zwecks Vermeidung weiterer Verluste wurden ständig höhere Risiken eingegangen, die zu neuen Verlusten führten.

Wenn wir dies nun aber alles wissen, wäre es da nicht vernünftig, sich anders zu verhalten? Könnten wir Gegensteuer geben oder sitzt dieses Verhalten tief in unseren Genen?

Ökonomie mit Affen

Diesen Fragen ist Laurie Santos in ihren Experimenten mit Affen nachgegangen. Sie ist Primatenforscherin an der Yale University und hat mit den Primaten die selben Experimente durchgeführt. Die Tiere konnten wählen, ob sie für einen Token entweder eine fixe Menge Futter eintauschen wollten oder aber lieber eine Menge, die manchmal zufällig grösser oder kleiner war. — Im Video unten erklärt Laurie sehr unterhaltsam, wie sie vorging (“Maybe it’s actually us that’s designed badly…?”)

Und was kam dabei heraus? Wie zu befürchten, haben sich die Affen genau so verhalten wie wir Menschen. Dies ist nicht unbedingt ein Trost, aber immerhin eine kleine Entschuldigung für die Finanzmanager, die sich in der Finanzkrise wohlmöglich nicht grundsätzlich anders verhalten haben als die anderen Primaten. Ein Verhalten, dass seit Jahrmillionen einprogrammiert ist, lässt sich eben nunmal nicht so schnell ändern…

Literatur

  • Originalwerk zur Prospect Theory: D. Kahneman und A. Tversky (1979): Prospect theory: An analysis of decision under risk, Econometrica, Vol. 47, No. 2, S. 263-291.
  • Sammelwerk mit Entscheidungsexperimenten: D. Kahneman, P. Slovic und A. Tversky (Eds.) (1982): Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases, Cambridge University Press.
  • Lehrbuch für Manager: M. Bazerman und D. Moore (2009): Judgment in Managerial Decision Making, 7th Edition, Wiley

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PS: Im Verlustszenario (oben Situation 2) wurden den Affen 3 Trauben angeboten. Im einen Fall wurde dann immer eine Traube weggenommen (Option A, sicherer Verlust), während im anderen Fall manchmal zwei Trauben und manchmal keine Traube weggenommen wurde (Option B, unsicherer Verlust). Hier scheint es mir irgendwie einsichtig, dass die Tiere eher B) wählten, da sie ja 3 Trauben sahen und diese manchmal auch bekamen… Zudem bekamen die Tiere immer mindestens eine Traube, auch im Verlustszenario. — Trotzdem ein sehr schönes Experiment!

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