14.08.2010

Mythos Wirtschaftskreislauf

Der so genannte Wirtschaftskreislauf ist lediglich ein Hilfskonstrukt für die Lehre, sollte aber nicht als Tatsachenbehauptung oder Modell der Realität missverstanden werden.

Der Grund ist einfach: Es gibt nichts, das kreist.

In ökonomischer Lesart haben wir es mit zwei Tauschbereichen zu tun: Auf den Produktemärkten werden Güter und Dienstleistungen gegen Kaufkraft getauscht und auf den Faktormärkten Produktionsfaktoren gegen Kaufkraft. Beide male handelt es ich um äquivalenten Tausch, indem eine Leistung (z.B. Konsumgut oder Arbeitsleistung) gegen die ihr entsprechende Kaufkraft (welche in Form von Geld übertragen wird) getauscht wird.

Die beiden Tauschbereiche sind insofern mit einander verbunden, als die Summe der Kaufkraft, die den Haushalten zufliesst, der Summe der verwendeten Kaufkraft (Konsum) plus der (vorerst) nicht verwendeten Kaufkraft (Sparen) entsprechen muss. Wir haben es somit nur mit zwei verbundenen Tauschbereichen zu tun, nicht mit einem Kreislauf.

Durch Wertschöpfung entsteht also Kaufkraft, die den Haushalten zufliesst (genannt Faktoreinkommen) und von diesen für Konsum und Sparen verwendet wird. Diese Kaufkraft kann aber nur einmal verwendet werden.

Geld ist dabei eigentlich nur die Verbriefung bzw. der Träger von Kaufkraft, welches deren Übertragung erleichtert — schliesslich arbeiten wir alle nicht für “Geld” sondern für die damit verbundene Kaufkraft. In einer reinen Tauschwirtschaft, also ohne Geld, muss der ökonomische Kern von Wertschöpfung und Kaufkraftübertragung analytisch erhalten bleiben, auch wenn keinerlei Geld kreist. — Dass auch das Geld nicht kreist, habe ich hier dargelegt.

Ein korrekte Darstellung der Gesamtwirtschaft sieht demnach wie folgt aus:

Hier wird deutlich, dass die Haushalte einerseits als Anbieter auftreten (Faktormärkte), zudem aber auch Nachfrager sind (Produktemärkte), während diese Rollen bei den Unternehmen umgekehrt sind.

Dass die Metapher des Wirtschaftskreislauf durch unsere Lehrbücher geistert liegt daran, dass sich die Wirtschaftsleistung (gemessen am Bruttoinlandprodukt; BIP) so schön einfach darstellen lässt. Die makroökonomischen Identitäten von Einkommen, Konsumausgaben und Produktion können intuitiv dargestellt werden; vgl. die Eintragungen “=GPD” in der ersten Grafik oben.

Dadurch darf aber nicht der falsche Eindruck entstehen, dass in der realen Wirtschaft etwas kreise. Wirtschaft beruht aber auf Produktion, äquivalentem Tausch und Konsum.

Zudem birgt die Kreislaufdarstellung weiteres Potenzial für Missverständnisse. Sie ist trotz ihrer anscheinenden Dynamik rein statisch. Sie zeigt nämlich nicht, wie oder warum sich eine Wirtschaft entwickelt. Der “Kreislauf” dreht auf der Stelle, Wachstum kommt nicht vor.

Auch fehlt die Verbindung zum Stoffkreislauf und zur Natur. Es werden keine natürlichen Ressourcen verbraucht und keine Stoffe in die Umwelt abgegeben. Weil also keine Wechselwirkungen und Rückkoppelungen zwischen Wirtschafts- und Stoffkreislauf gezeigt werden, entsteht das falsche Bild eines Perpetuum Mobile, welches losgelöst von Gesellschaft und Natur gewissermassen “hors sol” existiert.

The Mythbuster / nächster Mythos: Arbeit lässt sich umverteilen…

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[...] kann keiner sein Einkommen mehr als einmal ausgeben. Eine genauere Erklärung kann man in meinem Blogeintrag vom 14. August 10 [...]

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