7.09.2010

Mythos am Arbeitsmarkt

Wenn alle die Arbeit haben, etwas weniger arbeiten, bleibt mehr Arbeit für jene, die keine Arbeit haben.

Dieses Rezept gegen Arbeitslosigkeit ist alt, weit verbreitet und falsch. Der Mythos hält sich hartnäckig. Er beruht auf der Vorstellung, dass die gesellschaftlich notwendige Arbeitsmenge fix gegeben ist. Entsprechend könnte man — so die Meinung — Arbeit umverteilen, von jenen die viel haben, zu jenen die wenig oder keine haben. Folglich sinkt die Arbeitslosigkeit.

Mit diesem Argument wurde in vielen Ländern für kürzere Arbeitszeiten und frühere Pensionierungen gekämpft. So hatte etwa Frankreich die Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche und das Pensionsalter auf 60 Jahre gesenkt.

Die Idee einer fixen und gegebenen Arbeitsmenge ist aber falsch. Wie viel Arbeit von den Firmen nachgefragt wird, hängt von der relativen Arbeitsproduktivität im Vergleich zu anderen Produktionsfaktoren und den Arbeitskosten ab. Letztere steigen aber, wenn eine gegebene Menge Arbeit auf mehr Köpfe verteilt wird. Dies beruht darauf, dass die Lohnkürzungen für die weniger arbeitenden Personen oft zu gering sind und dass jeder zusätzliche Arbeiter auch zusätzliche Fixkosten verursacht. Durch höhere Arbeitskosten geht aber die Nachfrage nach Arbeit zurück, was eher zu mehr Arbeitslosigkeit führt.

Ökonomen sprechen von der “lump of labor fallacy“, weil die Arbeitsmenge nicht fix ist — und sie sich zudem nicht kostenlos umverteilen lässt. Gerade in wirtschftlichen Krisenzeiten hat die Umverteilungsidee aber stets Hochkonjunktur. Politiker die wiedergewählt werden wollen, müssen Tatkraft beweisen und bekämpfen die Arbeitslosigkeit gerne mit plausiblen, aber falschen Massnahmen.

Aktuell versucht Präsident Sarkozy in Frankreich gerade, das Pensionsalter auf 62 Jahre anzuheben. Dies vermutlich nicht, weil er die lump of labor fallacy begriffen hat, sondern weil die Pensionskassen leer sind. Widerstand ist ihm gewiss.

Die Vorstellung einer fixen Arbeitsmenge hat immer wieder zu falschen Ängsten geführt. Insbesondere neue Technologien wurden gefürchtet, weil sie angeblich den Arbeitern die Arbeit wegnehmen würden und zu Arbeitslosigkeit führen. Man denke an das Aufkommen der Webmaschinen in England, welche die Heimarbeiter um ihr Einkommen brachten. Später waren es die Fabriken, die Dampfmaschinen, das Fliessband, die Automation mit ihren Robotern und zuletzt der Computer, welche als Bedrohung der Arbeiterschaft gesehen wurden.

Stets haben technische Innovationen langfristig zu neuen, andersartigen Beschäftigungsmöglichkeiten geführt. Sie haben unter dem Strich keine Arbeitsplätze vernichtet, sondern neue geschaffen. Die Schriftsetzer in Druckereien sind weitgehend ausgestorben, ebenso die Kohleschaufler auf Dampflokomotiven. Dafür gibt es heute Webmaster und Piloten in grosser Zahl.  Nur so konnte das Bevölkerungswachstum aufgefangen werden, ohne dass es deshalb zu Massenarbeitslosigkeit kam.

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