14.09.2010

Kassensturz in der Apotheke

Die Konsumentensendung Kassensturz berichtete heute darüber, dass Magnesium- und Kalziumpräparate in der Apotheke bis zu 20mal mehr kosten, als beim Discounter. Dieser massive Preisunterschied hat mehrere Gründe, die ich Kassensturz im Vorfeld erläutert habe. Leider wurden sie im Beitrag extrem verkürzt, sodass ich sie hier nochmals aufschreibe.

Zunächst handelt es sich nicht immer um identische Produkte. In der Apotheke erhält man meist höhere Dosierungen und es werden teilweise Vitamine beigegeben, welche bei der Aufnahme der Stoffe im Körper helfen. Allerdings meint der im Beitrag befragte Pharmakologe, dass die inhaltlichen Unterschiede den höheren Preis nicht rechtfertigen können.

Ökonomisch gesehen handelt es sich schlicht um eine Produktedifferenzierung in Kombination mit einer Preisdiskriminierung, indem sehr ähnliche oder identische Produkte über zwei verschiedene Vertriebskanäle zu ganz unterschiedlichen Preisen vertrieben werden.

Dass diese Preisdiskriminierung funktioniert, beruht auf mehreren Faktoren.

Erstens fehlt es an Transparenz (zu welcher der TV-Beitrag ja nun beigetragen hat). Der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln durch Grossverteiler und Discounter ist bei uns relativ neu, sodass viele Konsumenten noch nicht um die günstigeren Einkaufsmöglichkeiten wissen. Durch Abwanderung der Konsumenten zu den Discountern werden die Apothekerpreise zweifellos unter Druck kommen.

Zweitens geniessen die Apotheke und deren Produkte bei den Konsumenten ein hohes Vertrauen bezüglich der Qualität. So gibt es Konsumenten, welche den Produkten vom Discounter weniger trauen und lieber das teurere Apothekerprodukt vom bekannten Markenhersteller nehmen. In wiefern tatsächlich Qualitätsunterschiede bestehen und ob sie die massiven Preisunterschiede rechtfertigen, muss jeder Konsument selbst entscheiden.

Gerade bei Erfahrungsgütern, deren Qualität wir nicht auf den ersten Blick erkennen können, schliessen aber viele Konsumenten vom hohen Preis auf eine hohe Qualität — nach dem Motto “teuer = gut”. In dieser Logik können die Produkte vom Discounter ja nicht gut sein, wenn sie so billig sind. Folglich tun die Apotheken gut daran, die Preise nicht zu senken, weil sie ja dann eine sinkende Qualität signalisieren würden. Oder sie würden offenbaren, wie hoch ihre Margen in Wahrheit sind…

Drittens bieten Apotheken auch Beratung an, deren Kosten auf die Produkte überwälzt werden. Ob ich besser Magnesium oder Kalzium nehme und wieviel, sagt mir im Discounter niemand.

Staatliche Zulassungsvorschriften helfen — viertens — den Herstellern, die beiden Absatzkanäle zu trennen, sodass Arbitrage unmöglich wird und Preisunterschiede bestehen bleiben. (Dieser Aspekt kommt immerhin im Kassensturzbeitrag vor.)

Herstellungs- und v.a. Zulassungskosten, welche von der Apothekerin im Beitrag als ursächlich für die Preisunterschiede genannt werden, sind hingegen von untergeordneter Bedeutung — insbesondere wenn es um Magnesium, Kalzium oder Vitamine geht.

Der gesamte Beitrag kann hier nachgeschaut werden.

Kommentare

[...] auch zwanzigmal (!) so viel zahlen wie in der Apotheke? Tilman Slembeck reklamiert im Blog “Die Welt, ökonomisch gesehen“, dass er sich beim “Kassensturz” gemeldet habe, dass aber seine Aussagen stark [...]

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